Praktikum bei großem oder kleinem Unternehmen?
Praktikum: Lieber dick auftragen oder kleine Brötchen backen?
Praktika bieten die einzigartige Gelegenheit, schon während der Schule oder dem Studium Arbeitserfahrung in der Wunschbranche oder gar beim Wunscharbeitgeber zu sammeln. Ein Praktikum kann entscheidend sein, um einen Berufswunsch zu festigen oder in eine andere Richtung zu verändern. In den meisten Fällen können oder müssen die Praktikanten selbst entscheiden, wo sie ihr Praktikum absolvieren. Die Wahl des Unternehmens muss mit dem Ziel des Praktikums übereinstimmen. Handelt es sich beispielsweise um ein Pflichtpraktikum für die Universität oder die Hochschule, sollte das Unternehmen in einer Branche tätig sein, welche mit der Studienrichtung konform ist.
Grundsätzlich stellt sich jedoch die Frage: Absolviere ich mein Praktikum lieber bei einem großen oder einem kleinen Unternehmen? Was ist besser und worin liegen jeweils die Vor- und Nachteile? Um bei der Entscheidungsfindung zu helfen, sollten die Vor- und Nachteile der beiden Varianten abgewogen werden. Sicherlich ist auch die individuelle Situation entscheidend. Wer beispielsweise unter Zeitdruck steht und schnell eine Zusage zu einem Praktikumsplatz braucht, sollte von den langen Kommunikationswegen großer Unternehmen absehen. Wer hingegen schon früh gute und bekannte Referenzen in seinem Lebenslauf vorweisen können möchte, sollte um kleine Betriebe lieber einen Bogen machen.
Vorteile eines Praktikums bei einem kleinen Unternehmen
Kleine Unternehmen sind familiär, überschaubar und in vielen Fällen inhabergeführt. Kurze Kommunikationswege und Teamzusammenhalt prägen das Arbeitsklima. So fällt es Praktikanten leicht, sich schnell in den Arbeitsalltag einzufinden. Zum einen können alle Fragen innerhalb kürzester Zeit beantwortet werden. Das familiäre Arbeitsklima verhilft dazu, sich wohlzufühlen. So kann es gut sein, dass man den Vorgesetzten dutzen darf und alles weniger steif abläuft, als man sich im Vorfeld vielleicht ausgemalt hat, weil es flache Hierarchien gibt. Das zeigt sich oft auch im Dresscode – Anzug, Krawatte oder Business Kostüm für Frauen sind nicht unbedingt angesagt. Der Chef kennt seine Mitarbeiter persönlich und kann jeden einzelnen beim Vornamen ansprechen. Auch ist es möglich, dass sich zwischen den Kollegen rege Freundschaften entwickeln, was die Praktikumszeit angenehmer und geselliger macht.
Mit dem Team nach Feierabend noch ein Bierchen trinken? Kein Problem! Der Praktikant profitiert zudem davon, dass er einen breiten Einblick in den Betrieb erhält und da einzelne Abteilung nicht übermäßig groß sind, kann er in jede einmal hineinschnuppern. Fachliche Betreuung sollte ebenfalls gewährleistet sein, weil immer ein Ansprechpartner zur Verfügung ist. Meist lässt sich ein guter Draht zur Personalabteilung herstellen, was vor allem in Anbetracht der Zeugnisausstellung wichtig ist. Bleibt ein Zeugnis aus, kann kurz nachgefragt werden, wann damit zu rechnen ist. Kleine Betriebe sind allerdings meistens schnell bei der Ausstellung eines Praktikumszeugnisses und kommen ihrer Pflicht gerne nach.
Nachteile eines Praktikums bei einem kleinen Unternehmen
Die Namen von kleinen Unternehmen sind oft weniger bekannt und tun sich im Lebenslauf nicht sonderlich hervor. Wenn man ein Praktikum bei einem kleinen Unternehmen absolviert hat und dies in seinem Lebenslauf erwähnt, muss man mit Rückfragen rechnen: „Wer ist diese Firma? Was machen die?“. Als Referenz dienen kleine Unternehmen daher eher weniger. Auch kann es sein, dass die Einarbeitung nicht strukturiert und mitunter ein wenig chaotisch verläuft, weil kleinere Betriebe im Umgang mit Praktikanten nicht geübt sind.
Kostenfreie Parkplätze vor dem Gebäude sowie weitere Mitarbeiter-Benefits (kostenloses Obst, gratis Wasser und Kaffee) sind ebenfalls Fehlanzeige. Praktikanten müssen sich ihr Essen zuhause vorkochen oder in der Pause beim Bäcker etwas kaufen, weil in den meisten Fällen keine Kantine vorhanden ist. Obwohl sie einen Einblick in mehrere Abteilungen bekommen können, ist der Radius der fachlichen Vertiefung eher begrenzt. Ebenso kann es sein, dass das Praktikumszeugnis unprofessionell wirkt und die Bezahlung sehr gering ausfällt, da das Budget von kleinen Unternehmen begrenzt ist. Mitunter kann es sein, dass vertraglich wenig geregelt ist oder es überhaupt keinen Praktikumsvertrag gibt. Im Falle einer Streitigkeit hat der Praktikant dann nichts in der Hand.
Vorteile eines Praktikums bei einem großen Unternehmen
Große Unternehmen bieten bekannte Marken, gewachsene Strukturen und einen vielfältigen Tätigkeitsbereich. Oft liegen sie verkehrsgünstig und sind mit ausreichend Parkplätzen bzw. Anschlüssen an öffentliche Verkehrsmittel ausgestattet. Wer seinen Lebenslauf schon zu Beginn der Karriere mit großen Namen füllen möchte, sollte sich definitiv um ein Praktikum in einem großen Unternehmen bewerben. Bei großen Unternehmen ist es manchmal sogar so, dass Praktikanten später in Festanstellung übernommen werden, wenn sie sich durch gute Leistung hervortun sowie Einsatz und Ehrgeiz zeigen. Ein Praktikum bei einem großen Unternehmen bietet also nicht nur einen Einblick in die Branche, sondern sogar echte Karrierechancen. Dadurch, dass die Unternehmen in der Vergabe und Betreuung von Praktika geübt sind, ist mit einer professionellen und strukturierten Einarbeitung zu rechnen. Dem Praktikant wird ein klar definierter Aufgabenbereich zugeteilt und ein Vorgesetzter begleitend an die Hand gegeben.
Schon im Vorfeld kann man sich gut darauf vorbereiten, da die Unternehmenshomepage ausführliche und detaillierte Informationen über Ansprechpartner, Tätigkeitsfeld und Unternehmenskultur liefert. Auch für die Verpflegung ist gesorgt, da man in großen Unternehmen oft eine Kantine oder ein Brötchen-Service antrifft und mit den Kollegen gemeinsam Mittagessen gehen kann. Durch den klar definierten Tätigkeitsbereich fällt die fachliche Vertiefung und Dokumentation leicht, so dass hinterher genügend „Futter“ für den Praktikumsbericht da ist. Stellt das Unternehmen ein Praktikumszeugnis aus, darf mit einem qualifizierten und professionellen Praktikumszeugnis auf Firmenbriefpapier gerechnet werden. Zeit, Inhalt und Dauer des Praktikums werden ordnungsgemäß in einem Vertrag festgehalten, so dass der Praktikant schon im Vorfeld Anhaltspunkte hat. Die Verdienstmöglichkeiten sind gut und die aufgewendete Arbeitszeit wird regulär oder tariflich vergütet.
Nachteile eines Praktikums bei einem großen Unternehmen
Bei einem großen Unternehmen geht leider auch alles etwas strenger zu – das fängt beim Datenschutz an, welcher hinterher im Praktikumsbericht an der einen oder anderen Stelle Probleme bereiten könnte. Vorgesetzte und Kollegen müssen der Höflichkeit halber gesiezt werden und kleine Fehler bei der täglichen Arbeit können fatale Auswirkungen haben. Auch ist der Bewerbungsprozess insgesamt komplizierter und langwieriger als bei einem kleinen Unternehmen. Über Zuruf oder mündliche Empfehlung einen Praktikumsplatz ergattern? Das wird in einem großen Unternehmen nicht möglich sein. In der Personalabteilung sitzen dutzende Ansprechpartner, die nicht immer verfügbar sind und weitaus wichtigere Themen vor der Brust haben, als sich um die Einstellung von Praktikanten zu kümmern. Letzteres geht Hand in Hand mit langen Kommunikationswegen – in großen Unternehmen gibt es eine größere Hierarchie, mehr Vorgesetzte und daher kann es dauern, bis man eine Auskunft oder eine Frage beantwortet bekommt. Insbesondere nach Beendigung des Praktikums kann dies nervig sein, wenn es um den Erhalt eines Praktikumszeugnisses geht. Auch sind Teamgeist und kollegiales Verhalten nicht immer gegeben. Es kann sein, dass unter den Mitarbeitern Konkurrenzdruck herrscht und das Arbeitsklima von Neid bzw. Ellbogenkultur geprägt ist. Während ein Praktikant in kleinen Unternehmen schnell in das Team aufgenommen wird und eher als unterstützende Kraft gilt, kann es in großen Unternehmen sein, dass Praktikanten als „Eindringlinge“ oder gar lästiges Übel betrachtet werden.
Fazit
Jede Unternehmensform birgt für Praktikanten sowohl Vor- und Nachteile. Kleine Unternehmen sind unbekannt, punkten aber mit familiärem Arbeitsklima und einem breiten Einblick in die Geschäftstätigkeit. Große Unternehmen bezahlen gut und dienen als Referenz, haben aber lange Kommunikationswege und nicht immer ein gutes Arbeitsklima aufzuweisen. Was nun im Einzelfall besser ist, muss individuell entscheiden werden. Wichtig ist, dass das jeweilige Unternehmen den richtigen Rahmen für das Praktikum bietet und wertvolle Einblicke verschafft. Die Wahl des Unternehmens muss sich mit dem persönlichen Ziel des Praktikums decken, um einen Mehrwert zu bieten. Es spricht nichts dagegen, sich bei mehreren Firmen zu bewerben und mehr als nur ein Praktikum zu absolvieren. Zudem sollten Praktikanten sich darum bemühen, ihre Arbeitszeit angemessen vergütet zu bekommen und sich von habgierigen Unternehmen nicht als billige Arbeitskraft „ausnutzen“ zu lassen, denn das ist nicht Sinn und Zweck eines Praktikums und führt eher zu Frustration als zu einem positiven Erfahrungswert.